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Schulung zur interkulturellen Öffnung im Kreisverband Würzburg

"Als wir mit dem Rettungswagen in der kleinen Wohnung ankamen, war diese bereits überfüllt mit aufgeregten Angehörigen, die laut schrien und auf uns einredeten. Wir brauchten erst eine Weile um den eigentlichen Patienten zu finden. Dann wollte jeder der Angehörigen mit anpacken und wir fühlten uns mit der Gesamtsituation wirklich überfordert."

So schildert eine Rettungsassistentin die Erfahrung, die sie bei einem Einsatz in einer Familie ausländischer Herkunft gemacht hatte. Eine Mitarbeiterin im ambulanten Pflegedienst berichtet von einer ähnlichen, für sie problematischen Situation in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber.

Diese und andere Erlebnisse mit interkulturellem Konfliktpotential wurden am 13./14. November bei einer Gruppendiskussion im Rahmen der Schulung "Interkulturelle Öffnung im BRK" besprochen und ausgewertet. Die hauptamtlichen Teilnehmer kamen aus sämtlichen Geschäftsfeldern des Kreisverbandes Würzburg. So saßen Ambulante Pflege, Altenpflege Patientenfahrdienst und Rettungsdienst zusammen und konnten angeregten Erfahrungsaustausch betreiben - zu einem sensiblen Thema.

Engeline Kramer, Ausländerbeauftragte des Landkreises Leer, Coach für interkulturelle Kommunikation und Konfliktlösung und selbst DRK-Mitglied, führte durch die Schulung. Durch ihren großen Erfahrungsschatz aus Auslandsaufenthalten in sämtlichen Ecken der Welt und ihr praktisches Verständnis als echte Rotkreuzlerin gelang es, die Programmpunkte durchwegs mit eigens Erlebtem greifbar und spannend zu gestalten.

Zu Beginn der Veranstaltung führte Ursula Teutsch von der Landesgeschäftsstelle in die Thematik "Interkulturelle Öffnung im BRK" ein und berichtete vom aktuellen bayernweiten Stand des gemeinschaftsübergreifenden Projektes.
Inhaltlich bildete die interkulturelle Kommunikation, welche leicht zu Missverständnissen führen kann und häufige Ursache von Konflikten ist, die Grundlage der Veranstaltung. "Kommunikation - ob verbal oder nonverbal - liegt im Wesen des Menschen verankert und es ist wichtig, zu erfahren, dass Kommunikationsweisen sich von einer Volksgruppe zur anderen grundlegend unterscheiden können", so die Grundbotschaft von Engeline Kramer. Den Teilnehmern wurde daher spielerisch vermittelt, wie sehr sich elementare Bestandteile der Kommunikation, wie Begrüßungsrituale, Körperdistanz und Sprachlautstärke differenzieren und was für ein Konfliktpotential daraus entsteht. Diese interkulturelle Reibefläche, die jeder der Teilnehmer in seiner täglichen Arbeit schon erleben musste, wurde in Rollenspielen dargestellt und im Nachhinein reflektiert. Eigene unangenehme Erfahrungen interkultureller Natur sollten für den nächsten Tag aufgeschrieben werden und wurden dann in Kleingruppen diskutiert. Der erste Lernerfolg zeigte sich bereits hier: In einem ruhigen Gespräch wie diesem war es möglich, auch über die Grenzen der Situation hinaus zu denken und kulturelle Hintergründe oder die persönliche Geschichte des Gegenüber zu berücksichtigen.

Desweiteren lag es Frau Kramer am Herzen, mit Vorurteilen gegenüber Migranten und Ausländern aufzuräumen. Sie konnte durch ihr Wissen aus jahrelangen vergleichenden Koran- und Bibelstudien die gesamte Gruppe verblüffen und jeden einzelnen die Stereotype, der Islam beispielsweise wäre eine rückständige, unterdrückende und frauenfeindliche Religion, gründlich überdenken lassen.

"Keiner von uns ist frei von Vorurteilen" - darüber wurde man sich in der Gruppe leider schnell einig.  Doch im weiteren Verlauf zeichnete sich die Botschaft der Veranstaltung deutlich ab: Das Bild, das wir von anderen Kulturen haben, sollte nicht ausgehend von einem Einzelerlebnis entstanden sein. Es ist viel wichtiger, dieses ständig zu überdenken und sich interessiert gegenüber allem Fremden zu zeigen. Jeder Mensch verdient es, gleich offen und unvoreingenommen behandelt zu werden.

Gerade als Repräsentanten des Bayerischen Roten Kreuzes und der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung ist es elementar, über interkulturelle Basiskompetenzen zu verfügen und den Kunden oder Patienten keine Voreingenommenheit spüren zu lassen. Das Symbol des Roten Kreuzes ist weltweit bekannt und muss auch hier ein Garant für Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit sein.
Außerdem muss sich das BRK auch in der Personalentwicklung dem demographischen Wandel anpassen. Es gilt, dem größer werdenden Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund, Möglichkeiten zu geben, sich beruflich zu betätigen oder ehrenamtlich zu engagieren.

Dem Feedback am Ende des Seminars war deutlich zu entnehmen, dass die Erwartungen übertroffen wurden und jeder gezwungen war, über die eigene Ansicht und die Behaftung mit Vorurteilen zu reflektieren. Auch der an die Hand gegebenen Checkliste für interkulturelle Öffnung war einiges an praktischen Hinweisen für das eigene Geschäftsfeld zu entnehmen. Das Ziel, für solch ein hoch aktuelles Thema zu sensibilisieren, wurde - wie einstimmig festgestellt - erreicht. Auch die Referentin Frau Engeline Kramer war begeistert vom ersten Erfolg der Schulung: "Die Gruppe war sehr aufgeschlossen, kreativ und motiviert. Die Teilnehmenden hatten so viele Ideen, so dass diese jetzt auch irgendwie umgesetzt werden sollten - wenn auch nicht alle auf einmal."

Die Diskussionsrunde um das anfangs berichtete Erlebnis zeigte zwar einerseits, dass es wichtig ist, gerade in dieser Notfallsituation entschlossen und bestimmt zu handeln. Andererseits sind dennoch die kulturellen Besonderheiten, über die die Teilnehmer des Lehrgangs viel erfahren durften, nicht außer Acht zu lassen und zu respektieren.
Beispielsweise hätte die Möglichkeit bestanden, die Familienangehörigen einen Teil der Ausrüstung tragen zu lassen, um ihnen somit die Bestätigung zu geben, aktiv zum Wohl des Erkrankten beigetragen zu haben.

 

Weitere Informationen zur Interkulturellen Öffnung im Bayerischen Roten Kreuz: http://www.ikoe.brk.de

 

Text: Michael Justice


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