Die weltgrösste humanitäre Organisation wird gegründet

Mit Elan fasste das Fünfergremium den kühnen Entschluss, in Genf einen großen Kongress durchzuführen. Dunants Entwurf wurde in zehn präzise und juristisch korrekte Paragraphen umgeschrieben. Zu Dunants großer Enttäuschung wurde die schützende Neutralität für die freiwilligen Helfer darin mit keinem Wort erwähnt. Dunant war der Meinung, ohne diesen Status der Unantastbarkeit könnten sie ihre Hilfe unmöglich leisten. Seine Kollegen hielten die Idee angesichts der klaren Fronten in Europa für völlig utopisch.
Eine Darstellung der Genfer Konferenz. Bevollmächtigte von 16 Signatarstaaten waren versammelt. Zwölf unterschrieben die Konvention.
So reiste er nach Berlin und Potsdam zum Empfang beim Preußen-König Wilhelm I., nach Dresden zu einer Audienz bei König Johann und kehrte über München, Stuttgart, Darmstadt und Karlsruhe nach Genf zurück. Zusammen mit Dr. Basting, dem Chef der niederländischen Elitetruppe, hatte er die Klausel zum Schutz der freiwilligen Helfer erweitert, die ihm so am Herzen lag. Der Kongress vom 26. Oktober 1863 wurde dennoch ein großer Erfolg. Delegierte von 16 Regierungen und 13 privat angereiste Interessenten fanden sich ein. Sie fassten zehn Resolutionen über die Organisation, Rechte und Pflichten der freiwilligen Helfer auf dem Schlachtfeld. In Artikel 8 der Resolution wurde bestimmt, dass die Helfer als Erkennungszeichen eine weiße Armbinde mit einem Roten Kreuz zu tragen haben. Nicht als religiöses Symbol, sondern als Umkehrung der Schweizer Flagge. 1864 fand vom 8. August bis zum 28. August die historisch gewordene Genfer Konferenz statt, mit 26 Delegierten aus 16 Staaten. Zwölf der sechzehn vertretenen Staaten unterzeichneten die erste Genfer Konvention und versahen sie mit den Siegeln ihrer Länder. Durch die Genfer Konventionen entwickelte sich das Rote Kreuz zur wichtigsten, weltweit anerkannten Hilfsorganisation in Kriegszeiten. Was 1863 mit dem „Fünfer-Komitee“ begonnen hatte, ist heute die größte humanitäre Organisation der Welt: Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung.
Rotkreuz Armbinde

Sei menschlich auch im Kriege – was in den Genfer Konventionen steht

Die erste Genfer Konvention von 1864 "betreffend die Linderung des Loses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen" wurde von zwölf Staaten unterzeichnet und enthielt nur zehn Artikel. 1929 wurde die zweite Genfer Konvention "über die Behandlung von Kriegsgefangenen" abgeschlossen. Dies als Reaktion auf die riesigen Probleme beim Umgang mit Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg.
Bei einer Konferenz mit 70 Regierungen, zu der die Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg einlud, entstanden die heute gültigen vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949:
  1. verbessert das Los der Verwundeten und der Kranken im Feld (wie bisher),
  2. regelt dasselbe auf dem Wasser,
  3. regelt die humane Behandlung von Kriegsgefangenen und
  4. den Schutz der Zivilbevölkerung.
Es gibt drei Zusatzprotokolle:
  1. (1977) für den Kulturgüterschutz sowie gegen Angriffe auf gefährliche Einrichtungen (AKW),
  2. (1977) mit Regeln bei internen Kriegen (Sudan, Biafra u.a.) und
  3. (2005) fürs neue Schutzzeichen Roter Kristall.
Das Rote Kreuz ist zwar ein Verein, doch alle Konventionen und Protokolle sind Bestandteile des humanitären Völkerrechts.
  • Guillaume-Henri Dufour

    Guillaume-Henri Dufour
    (1787-1875) unterrichtete Napoleon Bonaparte an der Militärschule Thun, die er selbst mitgegründet hatte. Er beendete den Sonderbundskrieg ohne allzu grosses Blutvergiessen. Er war als Leiter des Eidgenössischen Topografischen Büros der erste moderne Landvermesser und wurde erster Präsident des Roten Kreuzes. Es war vermutlich seine Idee, für die Rotkreuzarmbinde die Schweizerfahne farblich umzukehren.
  • Gustave Moynier

    Gustave Moynier (1826-1910), Jurist, saß in über 40 Wohltätigkeitsvereinen. Er half 1862 Dunant nach der Veröffentlichung von "Eine Erinnerung an Solferino", seine Idee zu verbreiten. Von 1864 bis zu seinem Lebensende war er Präsident des Komitees vom Roten Kreuz. Er etablierte die Organisation, wurde aber zu Dunants Widersacher. Er verhinderte das Angebot von Kaiser Napoleon III., der Dunants Schulden sanieren wollte.
  • Théodore Maunoir

    Théodore Maunoir (1806-1869) war unterstützte Louis Appia, als diese nach Genf kam. Er war einer der fünf Rotkreuzgründer und hieß die Vertreibung Dunants aus Genf nach dessen Konkurs nicht gut. Maunoir wuchs in einer wohlhabenden Genfer Ärztefamilie auf. Er war Mitglied der Genfer Kommission für Hygiene und Gesundheit. Von ihm erschien eine Studie zur medizinischen Versorgung der Opfer des amerikanischen Bürgerkriegs.
  • Louis Appia

    Louis Appia (1818-1898), Gründungsmitglied des Roten Kreuzes, war Chirurg mit besonderen Verdiensten in der Militärmedizin. Er stammte aus Hanau bei Frankfurt und wirkte ab 1849 in Genf. Er erfand ein Gerät zur Ruhigstellung eines gebrochenen Arms oder Beins während des Verwundetentransports. Er und der holländische Hauptmann Charles van de Felde trugen im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 erstmals die Rotkreuzarmbinde.

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Nach Abschluss der zweiten Genfer Konferenz erschienen in allen Zeitungen Berichte über die neutrale freiwillige Hilfe, die in Zukunft die Armeesanitäter im Feld unterstützen werde.